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Portraitskizze von Friedrich Ebert

Eine Momentaufnahme aus der Nationalversammlung

  • Weimarer Republik (1918-1933)

Hintergrundinformationen

Eine gezeichnete Momentaufnahme aus der Weimarer Nationalversammlung wird im Nachlass von Walter Scheel im Bundesarchiv aufbewahrt.

Die mit präzisen Strichen angefertigte Skizze porträtiert Friedrich Ebert. Die Zeichnung ist nicht signiert. Aus einem beiliegenden Schreiben ist jedoch ersichtlich, dass sie von der Hand des liberalen Politikers Friedrich Naumann stammt.

Naumann war ein begeisterter Zeichner und dafür bekannt, stets Zeichenblock und Stift bei sich zu tragen. Der spätere Bundespräsident Theodor Heuss stellte in seiner erstmals 1937 veröffentlichten Biographie über Naumann fest: „In Sitzungen, da er aufmerksam oder gelangweilt zuhörte, ließ Naumann gern die Feder spielen: eine Landschaft, eine Architektur, eine Menschengruppe mit charakteristischen Bewegungen füllte den weißen Bogen, keine schweifenden Schnörkel oder Bizarrerien, sondern irgendwie Erinnerungsbilder.“

Eines dieser „Erinnerungsbilder“ stellt offensichtlich das vorliegende Porträt Eberts dar. Eine exakte Datierung der Skizze ist nicht möglich, wohl aber eine Eingrenzung auf den Zeitraum, in dem Naumann sie vermutlich angefertigt hat. Er war als Spitzenkandidat der Deutschen Demokratischen Partei in die Nationalversammlung gewählt worden und bediente sich für seine Zeichnung des entsprechenden Briefpapiers. Ebert eröffnete am 6. Februar 1919 in seiner Funktion als Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten die Nationalversammlung. Nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten am 11. Februar schied er aus der Nationalversammlung aus. Für seine Zeichnung hatte Naumann also nur wenige Sitzungstage Gelegenheit, die mit Eberts Reden zur Eröffnung der Nationalversammlung und seiner Wahl zum Reichspräsidenten jedoch zwei denkwürdige Ereignisse markierten.

Ebert war natürlich mindestens am 21. August 1919 nochmals in der Nationalversammlung, als er auf die neue Verfassung vereidigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Naumann jedoch in Erholungsurlaub. Er verstarb am 24. August 1919, also nur drei Tage nach der Vereidigung von Ebert, in Travemünde.

Wie kommt eine Zeichnung Friedrich Naumanns in den Nachlass von Walter Scheel?

Zu dieser Frage lässt das Begleitschreiben, mit dem die Zeichnung übermittelt wurde, Vermutungen zu: Der Absender, der damalige Direktor der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung Rolf Schroers, war offenbar auf der Suche nach einem passenden Geschenk für den 55. Geburtstag von Bundespräsident Walter Scheel. Ein Teil-Nachlass von Friedrich Naumann, der heute im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung verwahrt wird, befand sich seit 1973 im Besitz der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach. Dass sich die Portraitskizze in diesem Nachlass-Teil befand, erscheint naheliegend, ist aber nicht eindeutig nachweisbar.
Walter Scheel, der von 1967 bis 1974 selbst stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung war, erhielt jedenfalls das Porträt von Friedrich Ebert - 55 Jahre nachdem Naumann es in der Nationalversammlung gezeichnet hatte - als Geburtstagspräsent.

Der Nachlass von Walter Scheel ist in mehreren Abgaben von 1993 bis 2009 in das Bundesarchiv gelangt. In einer der Abgaben befand sich auch das Glückwunschschreiben Rolf Schroers‘ mit der beigefügten Skizze, das unter der Signatur N 1417/108 im Bundesarchiv Koblenz einsehbar ist.

(Text: Konrad Zrenner)