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Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg

"Die Tat zeugt von einer tiefen inneren Krankheit und Roheit des deutschen Volkes" (Kurt Eisner)

  • Weimarer Republik (1918-1933)

Hintergrundinformationen

Die Ausgangslage

Die politische Situation im Deutschen Reich im Winter 1918/19 war hochgradig angespannt, die verschiedenen politischen Lager standen sich unversöhnlich und gewaltbereit gegenüber.
Am 9. November hatte vor dem Hintergrund der Revolution in Kiel ab dem 3. November, ihrer Ausbreitung im Reich, einem vom Arbeiter- und Soldatenrat ausgerufenen Generalstreik und bei laufenden Verhandlungen über einen Waffenstillstand der letzte vom Kaiser eingesetzte Reichskanzler Prinz Max von Baden dem Vorsitzenden der SPD und Reichstagsabgeordneten Friedrich Ebert die Regierungsgewalt übergeben. Kurz darauf am selben Tag hatte dessen Parteifreund Philipp Scheidemann die „deutsche Republik“ ausgerufen, dem wenig später der Führer des Spartakusbundes Karl Liebknecht mit der Ausrufung einer „sozialistischen Republik“ folgte.

Ebert bildete am 10. November eine paritätisch aus Abgeordneten der SPD und der USPD besetzte Regierung – den „Rat der Volksbeauftragten“. In Anbetracht möglicher revolutionärer Umstürze und in Ermangelung besserer Alternativen wurde diese Reichsregierung auch von konservativen Kräften, insbesondere der Armee und der Verwaltung anerkannt. Unter Beteiligung des „Allgemeinen Reichskongresses deutscher Arbeiter- und Soldatenräte“ wurde am 19. Dezember beschlossen, am 19. Januar eine Nationalversammlung wählen zu lassen, um aus dieser eine reguläre Reichsregierung hervorgehen lassen zu können. Zwischenzeitlich hatten im November der Kaiser und alle deutschen Fürsten abgedankt.
Während nun auf der einen Seite die SPD unter Ebert um eine konstruktive Zusammenarbeit mit Militär und Verwaltung bemüht war, ungeachtet der Tatsache, dass diese Partner die Republik und demokratische Prozesse ablehnten, strebten Teile der USPD, aber vor allem die Ende Dezember gegründete KPD den revolutionären Umsturz nach sowjetischem Vorbild an. Meinungsführer auf dieser Seite waren Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Beide wurden damit nicht nur zum Gegner der konservativen Kräfte, sondern auch in weiten Teilen der SPD, insbesondere in deren Führung, als Bedrohung und politischer Hauptgegner gesehen.

Kurz vor Weihnachten kam es in Berlin zur Konfrontation. Die aus revolutionären Marinesoldaten (Mannschaftsdienstgraden, bzw. „Matrosen“) gebildete Volksmarinedivision hatte sich im Stadtschloss festgesetzt und beharrte auf der Auszahlung ausstehenden Soldes, während die Regierung die Verkleinerung des zunehmend als unzuverlässig wahrgenommenen Verbandes, der durch andere revolutionär eingestellte Formationen unterstützt wurde, und seinen Abzug aus dem Schloss durchsetzen wollte. Eine gewaltsame Räumung des Stadtschlosses durch zurückgekehrte Frontverbände an Weihnachten scheiterte.

Nach dieser gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen SPD-geführter Regierung und konservativ-monarchistisch eingestelltem Militär auf der einen Seite und revolutionär eingestellten Freiwilligenverbänden und bewaffneten Arbeitern auf der anderen Seite, die zu zahlreichen Toten, auch unter Zivilisten, geführt hatte, verließen die USPD-Abgeordneten den Rat der Volksbeauftragten. Ihre Plätze wurden zum Teil von SPD-Abgeordneten eingenommen – unter anderem von Gustav Noske, der die Zuständigkeit für Heeres- und Marineangelegenheiten übernahm und noch 1919 erster Reichswehrminister wurde.

Die am 4. Januar erfolgte Entlassung des von der USPD gestellten Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn führte zu einer Großdemonstration am 5. Januar, zu der unter anderem auch die USPD aufgerufen hatte. Diese wuchs sich sehr schnell immer weiter aus und führte zur Besetzung von Druckereien und Verlagsgebäuden. Der sich nun bildende und aus Vertretern von USPD, KPD und den „Revolutionären Obleuten“ bildende „Revolutionsausschuss“ rief für den 7. Januar zum Generalstreik und zum Sturz der Regierung auf. Aus der großen Menge der Demonstranten gingen jedoch keine gewaltsamen Aktionen hervor. Der Revolutionsausschuss konnte sich in der Folge auf kein weiteres Vorgehen einigen. Karl Liebknecht, Mitglied des Parteivorstands der KPD, rief zum bewaffneten Kampf gegen die Regierung auf – Rosa Luxemburg, wie Liebknecht führendes Mitglied des Spartakusbundes und der KPD, blieb in diesem Punkt unklar, verurteilte den Aufstand jedoch zumindest nicht öffentlich. Verhandlungen zwischen der Regierung und gemäßigten USPD-Mitgliedern scheiterten am 7. Januar. Am selben Tag übertrug Ebert Noske die Befehlsgewalt über alle der Regierung unterstehenden militärischen Formationen im Raum Berlin. Die Auseinandersetzung zwischen SPD-geführter Regierung unter Einsatz des Militärs und USPD, KPD und dem in dieser aufgegangenen Spartakusbund, wurde auf beiden Seiten auch sprachlich immer unversöhnlicher. Die Regierung sprach auf Flugblättern von der bevorstehenden „Stunde der Abrechnung“, die revolutionäre Seite drohte auf ihren Flugblättern den Regierungsmitgliedern mit dem „Schafott“ und sprach von „Todfeinden“. Während die Masse der Streikenden wohl gegen die Regierung demonstrieren, aber nicht in gewaltsame Kämpfe eintreten wollte, trat das Militär am 10. Januar zum Angriff über. Am 10. Januar wurde das Hauptquartier des Spartakusbundes besetzt, am 11. Januar begann die Rückeroberung der Verlagsgebäude, die bereits am nächsten Tag beendet war, da sich die meisten Aufständischen ergaben. Trotz dieses schnellen und ungefährdeten militärischen Erfolges kam es in der Folge zu zahlreichen Erschießungen von Gefangenen durch die militärischen Einheiten der Regierung.
In dieser Situation zogen am 13. Januar weitere militärische Verbände, Freikorps, in die Stadt ein – an der Spitze die Garde-Kavallerie-Schützen-Division (bald darauf erweitert zum Garde-Kavallerie-Schützen-Korps). Es folgten weitere Gewalttaten durch diese Verbände, die durchweg gegen Republik, Demokratie und natürlich vor allem gegen jegliche revolutionäre Organisation eingestellt waren – in letzterer ihren Hauptfeind sahen.

Die Ermordung

Bereits seit Dezember wurden von der „Antibolschewistischen Liga“ Flugblätter und Plakate veröffentlicht, in denen zur Ergreifung der Anführer des revolutionären Aufstandes aufgerufen wurde und insbesondere Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg als Führende und Verantwortliche benannt wurden. Es wurde darin ausdrücklich auch dazu aufgerufen, die Führer des Spartakusbundes zu töten. Auch die Regierung suchte die nach dem gescheiterten Aufstand untergetauchten KPD- und Spartakusbundführer. Am 15. Januar wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von der Wilmersdorfer Bürgerwehr, aufgrund eines entsprechenden Hinweises oder durch Telefonüberwachung, entdeckt und verhaftet. Beide wurden in das Hauptquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, der die Wilmersdorfer Bürgerwehr unterstand, im Eden-Hotel verbracht. Befehlshaber dieser Division war Generalleutnant Heinrich von Hofmann. Da dieser gesundheitlich stark eingeschränkt war, lag die Führung der Division faktisch beim ersten Generalstabsoffizier Hauptmann Waldemar Pabst.

Pabst ließ Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg verhören. Offenbar wurde von ihm die Reichsregierung frühzeitig über die Verhaftung der beiden informiert. Pabst hat später mehrfach deutlich gemacht, daß er ganz bewußt entschieden habe, Liebknecht und Luxemburg töten zu lassen. Er begriff dies bis zu seinem Lebensende nicht als Mord (der es ganz unzweifelhaft war), sondern als Hinrichtung im nationalen Interesse. Pabst hat jedoch ab 1969 auch mehrfach deutlich betont, daß diese Ermordung mit der SPD-Führung in Person von Noske und vermutlich auch Ebert abgesprochen war.

Die Anwesenheit von Liebknecht und Luxemburg im Eden-Hotel war schnell bekannt geworden. Für die Durchführung des Mordes mußten daher beide das Haus verlassen. Zunächst wurden von Pabst im Offizierkorps der Division Freiwillige für die Durchführung gesucht und gefunden. Liebknecht verließ als erster unter Bewachung das Hotel. Auf dem Weg zu einem bereitstehenden Wagen wurde er von einem Soldaten durch einen Kolbenschlag verletzt. Der Wagen mit dem verletzten Liebknecht und mehreren begleitenden Offizieren verließ das Hotel. Auf der Fahrt wurde eine Panne vorgetäuscht, Liebknecht zum Aussteigen aufgefordert und daraufhin durch Schüsse in den Rücken getötet. Der Leichnam wurde als unbekannte Leiche bei einer Rettungsstelle abgegeben. Die spätere offizielle Lesart für diesen Mord war „auf der Flucht erschossen“.
Rosa Luxemburg wurde erst nach Meldung der Ermordung Liebknechts an Pabst aus dem Hotel zum Wagen verbracht, und erhielt ebenfalls vom selben Soldaten mehrere Kolbenschläge und wurde dadurch schwer verletzt. Nach Losfahren des Wagens wurde die bereits bewußtlose Luxemburg durch einen aufgesetzten Pistolenschuß in den Kopf getötet. Um die Frage, wer diesen Schuß abgegeben hat, entspannen sich jahrzehntelange Diskussionen und Rechtsstreite. Die Tote wurde schließlich in den Landwehrkanal geworfen. Die offizielle Lesart für diesen Mord war „beim Verlassen des Hotels von einer aufgebrachten Menschenmenge getötet“. Die Leiche sei später von einer „Menschenmenge“ entwendet worden.

Als Mörder von Karl Liebknecht anzusehen sind die Offiziere Horst von Pflugk-Harttung, Heinrich Stiege, Ulrich von Ritgen und Rudolf Liepmann. Darüberhinaus beteiligt waren die Offiziere Heinz von Pflugk-Harttung, Bruno Schulze und der Soldat Clemens Friedrich.
Als Mörder von Rosa Luxemburg galt jahrzehntelang Kurt Vogel, mittlerweile gilt jedoch die Täterschaft von Hermann Souchon als erwiesen. Beide Offiziere waren allerdings unmittelbar tatbeteiligt. Der Soldat, der in beiden Fällen noch vor Abfahrt des Wagens mit seinem Gewehrkolben auf die Gefangenen einschlug, war Otto Runge.

Der Prozess

Sofort nach der Tat bemühten sich Freunde und Weggefährten der Ermordeten um die Aufklärung des Geschehens. Pabst betonte später, ihm sei von Noske zugesichert worden, daß es zu keiner gerichtlichen Aufarbeitung kommen würde. Aufgrund des großen öffentlichen Drucks war jedoch zumindest ein militärgerichtliches Verfahren unumgänglich.

Aus diesem Grund kam es zur bizarren Situation, dass das Gericht des Garde-Kavallerie-Schützen-Korps eine Untersuchung und anschließend einen Prozess führen mußte „in der Strafsache gegen den Husaren Otto Runge und Genossen wegen Ermordung von Dr. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“. Der erste (nicht eingeweihte) Jurist der Division, Kriegsgerichtsrat Kurtzig, war als Ankläger offenbar ab dem 16. Januar bereits tatsächlich um Aufklärung des Geschehens bemüht und wurde schnell von der Untersuchung abgezogen. Unter der Leitung des Kriegsgerichtsrates Paul Jorns wurden die Untersuchungen weitergeführt. Während Jorns ersichtlich bemüht war, die Untersuchungen so zu führen, daß keine Anklage möglich wurde und die noch von Kurtzig verhafteten „Transportführer“ für den Abtransport von Liebknecht und Luxemburg (Pflugk-Harttung und Vogel) wieder freiließ und den des Mordversuchs verdächtigen Runge nicht finden konnte, wurde durch Leo Jogiches, einem weiteren ehemaligen Spartakusbundführer und mittlerweile Vorsitzenden der KPD (der im März verhaftet und in der Haft ermordet wurde), am 12. Februar in der Zeitschrift „Rote Fahne“ ein sehr detailliertes Tatgeschehen mit Nennung der Namen der tatverdächtigten Offiziere veröffentlicht. Nun mußte selbst Jorns tätig werden. Am 8. Mai wurde der Prozess unter dem vorsitzenden Richter Kriegsgerichtsrat Ehrhardt förmlich eröffnet. Nur unter erheblichem und durchaus kreativem Aufwand gelang es dem Ankläger Jorns zusammen mit dem urteilenden Kameradengericht auf eine Verurteilung zu geringen Haftstrafen für Vogel und Runge und Freispruch aller anderen Tatverdächtigen hinzuwirken. Dass Jorns hierbei zunächst Todesurteile für die des Mordes angeklagten Offiziere forderte, was das Kameradengericht jedoch nicht übernahm, war Teil dieses Aufwandes. Vogel wurde später sogar von dem im Prozess als Beisitzendem beteiligten Wilhelm Canaris, dem späteren Admiral und Chef des Amtes Ausland/Abwehr, von der SS als Mitwisser des 20. Juli ermordet, aus dem Gefängnis befreit.

Am 25. Januar wurde Karl Liebknecht beerdigt. Da die Leiche von Rosa Luxemburg noch nicht gefunden war, wurde für sie ein leerer Sarg bestattet. Die Beerdigung geriet zu einer gewaltigen politischen Demonstration in Berlin, begleitet von Unruhen in ganz Deutschland. Am 31. Mai wurde die Leiche Luxemburgs aus dem Landwehrkanal geborgen. Auf Anweisung Noskes wurde der Leichnam dem Militär übergeben und in das Lazarett des Truppenübungsplatzes in Zossen überführt. Durch die Freundin und ehemalige Sekretärin Luxemburgs Mathilde Jacob wurde die Tote in Zossen identifiziert. Am 3. Juni erfolgte die Obduktion (wie auch zuvor der Leichnam Liebknechts obduziert worden war), deren Ergebnisse zumindest noch in die Akten aufgenommen wurde, da das Verfahren selbst bereits beendet war. Bis zur Bestätigung von Jorns Urteil durch Noske verging einige Zeit, zumal der flüchtige Vogel weiter vernommen werden sollte. Der wiederum hielt sich ungefährdet im Ausland auf, eine Auslieferung wurde von der Reichsregierung nicht ernsthaft angestrebt. Letztlich erfolgte die Bestätigung des Urteils durch Noske vermutlich auch, um das Verfahren formal ordnungsgemäß abzuschließen und die bei einer Fortführung und intensiver Befragung Vogels, womöglich auch Pabsts, mögliche Aufdeckung für die Reichsregierung, insbesondere Noske, peinlicher Details zu vermeiden.

Noch vor 50 Jahren, 1969, sorgte der Mord für öffentliche Aufregung, nachdem in einem Fernsehspiel des Süddeutschen Rundfunks ausgehend von Aussagen Pabsts Souchon als Mörder Luxemburgs bezeichnet wurde. Auf entsprechende Klage Souchons hin wurden der verantwortliche Leiter der Abteilung Dokumerntarfilm Dieter Ertel und der Sender selbst gerichtlich verurteilt, dies öffentlich zu widerrufen und diese Behauptung künftig zu unterlassen. Die Auffassung Pabsts, er habe keinen Mord befohlen, sondern eine „patriotische Tat“ für die man ihm und seinen Männern dankbar sein müsse, war zu diesem Zeitpunkt in weiten Kreisen nach wie vor in keiner Weise anstößig.

Quellen und Literatur

In der Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs sind insbesondere vorhanden:

1. die Prozess- und Untersuchungsakten des Gerichts des Garde-Kavallerie-Schützen-Korps (Bestand PH 8-V). Diese Unterlagen sind vollständig digitalisiert.
2. der Nachlass von Hauptmann Waldemar Pabst (Bestand N 620). Der Nachlass ist in Teilen digitalisiert.

Als Literatur ist vor allem zu nennen:

Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung der Rosa L.. Berlin 1995
Ders.: Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst – eine deutsche Karriere. Hamburg 2008

Thomas Menzel