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Neue Autoritäten und alte Bilder

Schreiben des Zentralrates der deutschen sozialistischen Republik an die Reichsregierung über die Entfernung von Kaiserbildern vom 3. Mai 1919

Einordnung der Quelle in den historischen Kontext

Mit dem In-Kraft-Treten der Weimarer Verfassung am 14. August 1919 war der Wechsel von der Monarchie zur Republik endgültig vollzogen. Wie sehr die politischen Veränderungen in alle Lebensbereiche hineinwirkten und wie stark das Alltagsleben auch Monate nach der Novemberrevolution noch von monarchistischen Symbolen und Gewohnheiten geprägt war, belegt das ausgewählte Dokument.

Max Cohen war Vorsitzender des Zentralrates der deutschen sozialistischen Republik, der nach dem Ersten Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands (Rätekongress) vom 16. bis zum 21. Dezember 1918 in Berlin gewählt worden war. Der Zentralrat sollte als Übergangsgremium bis zur Wahl der Nationalversammlung die Kontrolle über den Rat der Volksbeauftragten, der als Regierung fungierte, ausüben.

Der Zentralrat bestand bis zum Zusammentritt des Zweiten - und letzten - Rätekongresses am 8. April 1919. Im Lauf des Rätekongresses wurde am 14. April 1919 ein zweiter Zentralrat gewählt, der jedoch keine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung mehr besaß und als oberste Instanz der noch bestehenden Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte fungierte. Zum Zeitpunkt des Schreibens im Mai 1919 konnte der Zentralrat gegenüber der Reichsregierung also lediglich noch Vorschläge unterbreiten. Seine Arbeit war mit der Errichtung des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates im Mai 1920 beendet.

Das Dokument ist mit handschriftlichen Bearbeitungsvermerken versehen, wie unter anderem in der linken unteren Hälfte: „V[erfügung]. 1. Mit form[ellem] Anschr[eiben] abschriftlich an sämtliche Kabinettsmitglieder 2. W[ieder]v[orlage] nach 2 Wochen (evt. Beantwortung)“. Die Anmerkung links unten („Kais(erliches) Haus.“) bezieht sich auf die inhaltliche Zuordnung des Dokuments zu einer Akte. Die jeweils mit Unterschriftskürzeln versehenen Anmerkungen rechts („Wiedervorgelegt“ und „Vorläufig z[u]d[en]A[kten]“) dokumentieren den Verlauf der Bearbeitung.

Didaktisch-methodische Hinweise

Die Quelle ist für den Unterricht von besonderem Interesse, da sie die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Menschen und deren politische Überzeugungen thematisiert. Die öffentlichen Verwaltungen waren über Jahrzehnte dem Kaiserreich zugewandt, und selbstredend gab es in den Verwaltungen nach Ende des Kaiserreichs genügend Anhänger dieser Herrschaftsform. Dementsprechend verdeutlichte der Umbruch für diese Menschen die Unsicherheiten, mit denen ein Neuaufbau der Verwaltung verbunden war. Max Cohen äußerte den Wunsch, zu einer einheitlichen Regelung zu kommen, um diese Situation zu klären.

Arbeitsanregungen / Lernprodukte

  1. Klärt die Bezeichnung „Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik“ und listet Funktion und Aufgaben dieses Gremiums auf.
  2. Nehmt kritisch Stellung zu dem Wunsch, Bilder und Embleme abzuhängen, um damit die „monarchische Epoche“ zu entfernen.
  3. Erklärt die Aussage: „…wo sie nicht einen besonderen künstlerischen Wert darstellen“.
  4. Sammelt Informationen darüber, inwieweit in eurer Gemeinde / Stadt noch Erinnerungen an die Kaiserzeit vorhanden sind. Stellt diese zusammen und diskutiert darüber, wie und inwieweit gegenwärtig an das Kaiserreich und deren politische Repräsentanten erinnert werden soll.
  5. Im Rahmen der „black lives matter“–Bewegung wird auch in Deutschland der Umgang mit Personen diskutiert, die – auch im Kaiserreich – in Verbindung standen zu Kolonialismus / Imperialismus und damit zur Ausbeutung anderer Menschen. Auch der langjährige Reichskanzler Otto von Bismarck, nach dem bis heute in fast jeder Stadt eine Straße, ein Platz etc. benannt ist, wird in diesem Zusammenhang genannt. Sammelt in einer Internetrecherche Informationen über diese Debatte. Stellt die wichtigsten Ergebnisse in einem Plakat zusammen. Diskutiert anschließend darüber, inwieweit auch die Erinnerung an Otto von Bismarck heute verändert werden sollte.