/Internet/DE/Content/Virtuelle-Ausstellungen/_config/DefaultNavNode thenavnode=/Internet/DE/Navigation/Entdecken/Virtuelle-Ausstellungen/virtuelle-ausstellungen
Skipnavigation
SUBSITEHEADER

Navigation

"Deutschlands Adler im Reich des Drachen -Deutschland und China im Zeitalter des Kolonialismus" - Teil 5 "Gouvernement Kiautschou"

An der Spitze der zivilen wie militärischen Verwaltung stand ein Marineoffizier als Gouverneur. Er war Verwaltungschef und zugleich Befehlshaber der Truppen an Land. Teil 5 der Galerie zeigt hauptsächslich Stadtansichten Tsingtaus.

  • Kaiserreich (1871-1918)

Hintergrundinformationen

Hintergrundinformationen

Verwaltung

Schon kurz nach der Landung des deutschen Kreuzergeschwaders und noch vor dem Abschluss des Pachtvertrages begann der Aufbau einer deutschen Verwaltung.

An der Spitze der zivilen wie militärischen Verwaltung stand ein Marineoffizier als Gouverneur. Er war Verwaltungschef und zugleich Befehlshaber der Truppen an Land. In zeitlicher Reihenfolge versahen Admiral Oskar von Truppel (1897-1898 und nochmals 1901-1911), Konteradmiral Carl Rosendahl (1898-1899), Kapitän zur See Paul Jaeschke (1899-1901) und Vizeadmiral Alfred Meyer-Waldeck (1911-1914) dieses Amt. Unterstützung sollte der Gouverneur durch einen Gouvernementsrat als Repräsentationsorgan der deutschen Einwohner und ein Chinesisches Komitee als Vertretung besser gestellter Chinesen erhalten. Während der Gouvernementsrat - letztlich vergebens - die Machtfülle des Gouverneurs beschränken wollte, wurde das zunächst erfolglose chinesische Komitee 1910 in eine landsmannschaftlich organisierte Handelskammer umgewandelt. Von da an war dieses Gremium als Scharnier zwischen Deutschen und Chinesen weitaus effektiver.

Da auch das Hinterland von Jiaozhou (Kiautschou) erschlossen werden sollte, wurden Ingenieure zu Vermessungsarbeiten für die Trasse der Shandong-Bahn ausgesandt. Der respektlose Umgang der beauftragten Bahnbaugesellschaft v.a. mit den chinesischen Grabhainen führte dabei mehrmals zum Widerstand der chinesischen Bevölkerung. Zudem hielten die Übergriffe auf die ebenfalls im Hinterland tätigen christlichen Missionare an. Dies zusammen diente als Legitimation für mehrere deutsche Strafexpeditionen, denen mehrere hundert Chinesen zum Opfer fielen, teilweise sogar außerhalb des deutschen Schutzgebietes.

Wichtigstes Ziel war, Jiaozhou (Kiautschou) zu einer Musterkolonie des Deutschen Reiches aufzubauen. Dies hatte u.a. die Herstellung von Rechtssicherheit durch eine Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und anderen Reglementierungen zur Folge. Dazu wurde ein effizientes Notar- und Rechtssystem mit den Bezirksämtern Qingdao (Tsingtau) und Licun aufgebaut. Die Administration verließ sich dabei auch auf die Mitarbeit chinesischer Vertrauensleute - Sippenchefs und Dorfälteste. Insgesamt gewannen diese Institutionen durchaus das Vertrauen der chinesischen Seite. Auf dem Gebiet der Rechtsprechung waren unterschiedliche Gerichte für Einheimische, Zivilisten, Marinesoldaten und für Streitigkeiten zwischen Chinesen und Nicht-Chinesen zuständig. Europäer wurden oftmals milder bestraft als Einheimische, was zu anhaltender Kritik an der Rechtsungleichheit Anlass gab. Insgesamt wurde jedoch ein geordnetes, kalkulier- und kontrollierbares Zusammenleben für alle Bewohner der Kolonie geschaffen und die deutsche Herrschaft gewann nicht zuletzt dadurch zweifellos an Stabilität und innerem Frieden.

Bevölkerungs- und Stadtentwicklung

Sogleich nach der Landung machte sich die Marineverwaltung auch an den Landkauf in Qingdao (Tsingtau). Ein dreiteiliges Regelwerk aus Landordnung, Stadtentwicklungskonzept und Bauordnung schuf hierbei die Rahmenbedingungen. Die Rassentrennung der Wohngebiete wurde von Anfang an zu einem Markenzeichen der Stadt. Als Motiv wurden hygienische Gründe angeführt. Ergebnis war die Anlage der Europäerstadt Qingdao (Tsingtau), des chinesischen Händler- und Handwerkerviertels Dabaodao sowie der getrennt davon liegenden Arbeitersiedlungen Taidongzhen und Taixizhen. Die Trennung wurde auch in der Bauordnung sichtbar. Während in der Europäerstadt nur nach europäischen Vorgaben gebaut werden durfte, war in den übrigen chinesischen Vierteln chinesische Bauweise erlaubt. Ab 1912 allerdings wurde diese Trennung durch den Zuzug reicher Chinesen - darunter etliche entmachtete Mandarine - in das deutsche Viertel zunehmend durchbrochen. Auch die deutschen Bauherren und Architekten ließen sich durchaus von der für sie exotischen Pracht des Reichs der Mitte inspirieren. So entstand u.a. eine Geistermauer am Zugang zum Tsingtau-Klub, ein beliebter Anziehungspunkt deutscher gesellschaftlicher Ereignisse. Zugleich begann der Bau der Hafenanlage, die am 6. März 1904 - dem sechsten Jahrestag des Pachtvertragabschlusses - mit einem großen Fest eingeweiht werden konnte. Waldanpflanzungen und Aufforstungen tilgten das von den deutschen Kolonisten beanstandete kahle Aussehen des Pachtgebietes und festigten die von Erosion bedrohten Böden.

Insgesamt wurde die Stadt mit einer modernen, europäischen Ansprüchen genügenden Infrastruktur ausgestattet. So wurde sie mit einem Netz chaussierter Straßen, Regen- und Schmutzwasserkanalisation, Wasserleitungen und elektrischer Beleuchtung, Krankenhäusern und Schulen für Europäer und Chinesen, christlichen Kirchen, einer Postanstalt, einer Markthalle, einem Schlachthof und einer später berühmten Brauerei versehen. Diese Infrastruktur, aus dem Nichts aufgebaut, verschlang Unsummen an Reichszuschüssen, was in Berlin immer wieder die Gegner des Projekts auf den Plan rief.

Die Bevölkerung der Stadt Qingdao (Tsingtau) entwickelte sich während dessen rasch von 15.600 im Jahre 1902 auf über 55.000 im Jahr 1913. An dieser Zahl hatten die Nicht-Chinesen nur einen geringen Anteil: Deren Zahl entwickelte sich im gleichen Zeitraum auf 4.500. Den Großteil davon bildeten die Marinesoldaten. Im Jahr 1910 beispielsweise betrug deren Zahl 2.275 zu 1.531 Zivilisten. Im übrigen Pachtgebiet von Jiaozhou (Kiautschou), das etwa 450 km2 umfasste, wohnten zu Beginn der Kolonialzeit in 275 Dörfern etwa 80.000 bis 100.000 Menschen. Diese Zahl stieg bis 1913 auf knapp 200.000 Chinesen.

Wirtschaftliche Entwicklung

Von Anfang an war Jiaozhou (Kiautschou) nicht nur als Marinestation, sondern auch als Handelskolonie konzipiert. Dennoch blieben neben deutschen Unternehmern und Missionaren, Beamten und Reisenden auch immer mehr Marinesoldaten nach ihrem aktiven Dienst im Land. Viele von ihnen eröffneten kleine Handwerksbetriebe oder trieben Handel. 1914 wurden allein 36 deutsche Firmen gezählt, die sich mit Import und Export beschäftigten und 22 Gastronomiebetriebe. Diese profitierten vom guten Ruf des Seebades Qingdao (Tsingtau), dem aufblühenden Ausflugstourismus und dem Freizeitleben. Der Aufschwung verlief hierbei in Schüben: Die Anlage der Stadt, der Bau der Eisenbahn, der sukzessive Ausbau des Hafens und parallel dazu, die Fertigstellung der Eisenbahn waren hier bedeutende Wegmarken.

Shandong war bis zum Einmarsch der deutschen Truppen ein reines Agrargebiet, welches die anwachsende Bevölkerung schon lange nicht mehr hatte ernähren können. Bekanntestes Handelsprodukt war die hochwertige Shandong-Seide. Auch die deutschen Kolonisten versuchten sich in ihrer Produktion, blieben jedoch letztlich erfolglos. Die 1904 entstandene "Deutsch-Chinesische Seiden-Industrie-Gesellschaft" löste sich Anfang 1914 wieder auf. Zwar gab es vorbildliche Wohnheime für Arbeiter in der Nähe der Fabrikanlagen und Fortbildungen für die chinesischen Mitarbeiter, doch die Einnahmen konnten die Ausgaben nicht abdecken. Ähnlich scheiterten die deutschen Aktivitäten auf dem Baumwollsektor, der durch die japanische Konkurrenz und die chinesischen Shandong-Kaufleute beherrscht wurde. Doch nicht alle Wirtschaftszweige teilten dieses Schicksal. So profitierte die Produktion von Feldfrüchten von den deutschen Infrastrukturmaßnahmen. Das Hauptausfuhrprodukt jedoch war die sog. "Strohborte", für die damals in Deutschland modischen, sommerlichen Strohhüte für Männer.

Chinesische Kleinhändler erkannten neue Absatzchancen in der sich vergrößernden Kolonie und nutzten die neue Shandong-Bahn zum Transport ihrer Waren. Gleiches galt für den Absatz von Produkten der Hausindustrie - wie Tischwäsche oder Spitzenborten. Anfang 1907 wurde die Glasfabrik im Poschau-Bezirk als deutsch-chinesische Firma gegründet. Chinesische Kaufleute traten als Geldgeber auf, deutsche Betriebsbeamte bildeten das Management und deutsche Maschinen bestimmten den Arbeitsrhythmus. Auch diese Unternehmung scheiterte nicht zuletzt an den Kosten der innovativen Herstellungsmethoden. Gleich eine ganze Reihe deutscher Firmen konzentrierte sich auf die Herstellung von Ziegeln - angesichts der Stadtgründung von Anfang an ein lukratives Geschäft. Aber auch Seife, Trinkwasser ("Iltis-Brunnen") oder Albumin, Eierteigwaren und Nudeln ("Columbia") waren gefragte Produkte.

Besonders hervorzuheben ist das "Tsingtau"-Bier der "Germania"-Brauerei, das seinen Absatzmarkt schnell ausdehnte und den Grundstein für ein heute weltweit exportierendes Wirtschaftsunternehmen legte. Daneben waren die deutschen Kolonisten auch im Bergbau aktiv. Es bildeten sich Syndikate, denen es jedoch in der kurzen Zeit nicht gelang, ihr Produkt auf internationalen Qualitätsstandard zu bringen. Immerhin führten sie jedoch die Mechanisierung des Untertagebaus ein und brachten entsprechende Maschinen nach China. Eine Folge war die dauerhafte Verbesserung der Arbeitsbedingungen der einheimischen Arbeiter. Die Hafenstadt an sich avancierte zu einem bedeutenden Handelsumschlagsplatz. Vor allem der Gleisanschluss des Hafens und der Straßenbau ins Landesinnere belebten den innerchinesischen Handel. Die moderne deutsch-chinesische Tsingtau-Werft jedoch erwies sich als Fehlinvestition, da die Wartungsaufträge für das Ostasiengeschwader die ausbleibenden Aufträge aus China nicht ausgleichen konnten.

Insgesamt erfüllten sich die wirtschaftlichen Hoffnungen der deutschen Kolonisten nicht. Wirklich erfolgreich erwiesen sich letztlich vor allem die chinesischen Shandong-Kaufleute und die einheimische Klein- und Hausindustrie. So spielte Qingdao (Tsingtau) eine wichtige Rolle in der Wissensaneignung auf chinesischer Seite. Deutsche Maschinen und Fachkräfte fanden Verwendung und vermittelten fortschrittliche Technik. Die Kolonie blieb dauerhaft von Zahlungen aus dem Deutschen Reich abhängig, was im Reichstag anhaltend Fragen nach dem Sinn und Zweck der ganzen Unternehmung laut werden ließ.

Bildung

Im Pachtgebiet übernahmen zunächst die Missionen, später auch das Gouvernement die Einrichtung von Schulen. Die Missionare kümmerten sich besonders um die bisher nicht übliche Ausbildung von chinesischen Mädchen und trugen zu einer soliden Lehrerausbildung bei. Wie in allen Bereichen herrschte auch beim Schulunterricht Rassentrennung. Die deutschen Kinder wurden in einer Gouverneursschule bis zum Abitur geführt; 1913 hatte sie 227 Schüler. Für das Erreichen der Hochschulreife der Mädchen sorgte hingegen die katholische Höhere Töchterschule.

Für Chinesen gab es Elementarschulen und Dorfschulen. Je nach Betreiber wurden deutsche oder chinesische Bildungsinhalte oder aber beides vermittelt. Als weiterführende Schulen gab es in der Stadt zwei Fachschulen - je eine Lehrlingsschule der Werft und der Eisenbahn. Heftig diskutiert wurde unter den Kolonisten, ob Kinder von Chinesen oder Mischlinge die deutsche Gouverneurs-schule besuchen dürften. Die propagierte Rassentrennung trug jedoch den Sieg davon. Ein Musterprojekt hingegen war die Errichtung der Deutsch-Chinesischen Hochschule im Jahr 1909. 1914 waren über 400 chinesische Studenten eingeschrieben und die Absolventen durften sich mit dem Abschlusszeugnis zur traditionellen chinesischen Staatsprüfung bewerben - eine auf chinesischem Terrain einzigartige staatliche Anerkennung. Bis zur japanischen Machtübernahme schlossen jedoch lediglich 20 Studenten ihr Studium ab.

Gesellschaft

Das Gesellschaftsleben war ebenfalls durch die rassische Trennung zwischen Chinesen und Europäern geprägt. So vergnügten sich die Marinesoldaten in privat organisierten Skat-Clubs, im christlichen Soldatenheim, im Rotlichtviertel oder beim Schwimmen. Überhaupt spielte der Sport - u.a. Fußball - eine bedeutende Rolle im Freizeitleben der Kolonisten. Höhepunkt waren die "Tsingtauer Sportwochen". Im Übrigen traf man sich bei Volks- und Strandfesten, zu Konzerten oder Theateraufführungen. Ein eigenes Haus hierfür unterhielten die Deutschen - im Gegensatz zu den Chinesen - jedoch nicht. Dafür etablierte sich eine blühende Vereinskultur. So fanden sich u.a. Polo-, Tennis- und Hockeyvereine. Die chinesische Bevölkerung organisierte sich in eigenen Vereinen, gründete ebenso einen Tennisclub oder besuchte eines der zwei chinesischen Theater. Daneben etablierte sich sowohl auf deutscher wie auch chinesischer Seite eine reiche Zeitungslandschaft in der Jiaozhou (Kiautschou)-Bucht.