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Ausbürgerung von Wolf Biermann

Kalender 16. November 1976

Wolf Biermann am Grenzübergang Invalidenstraße, Berlin 1. Dezember 1989

Durch Beschluss des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik wird Wolf Biermann am 18. November 1976 die Staatsbürgerschaft der DDR mit Wirkung zum 16. November 1976 aberkannt. Der Liedermacher war nach jahrelangem Berufsverbot - und mindestens ebenso langer Bespitzelung durch die Staatssicherheit - erst einige Tage zuvor zu einer Tournee durch die Bundesrepublik gestartet, das erste Konzert fand am 13. November 1976 in Köln statt. Der Bundesnachrichtendienst warnte im Voraus, dass die DDR plane, Regimekritiker – insbesondere aus der Intellektuellen- und Künstlerszene – des Landes zu verweisen. Die SED-Führung erhoffte sich davon, kritische Stimmen zukünftig verstummen zu lassen und die DDR-Bürger gegen vermeintlich staatsfeindliche Äußerungen abzuschirmen. Nach dem Ende seiner Tournee blieb Wolf Biermann die Einreise in die DDR verwehrt, seine Ehefrau und Tochter lebten zunächst weiter dort.

Restriktive Ausreisepolitik

Die zwangsweise Ausbürgerung des Liedermachers aus der DDR wirkt geradezu grotesk im Vergleich zur damals praktizierten Ausreise- und Übersiedlungs-Politik der DDR. Anträge auf Übersiedlung einschließlich der sogenannten Familienzusammenführung sind mit Risiken verbunden, nicht selten haben die Antragsteller sogar mit Repressionen zu kämpfen. Auf die zunehmende Anzahl von Anträgen auf Übersiedlung in die Bundesrepublik reagiert die DDR-Führung mit drastischem Vorgehen, sie belastet dadurch auch die innerdeutschen Beziehungen. Die „Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Deutschen Demokratischen Republik“ (StäV) in Ost-Berlin und ihr Leiter, Staatssekretär Günter Gaus, rücken dabei in den Fokus. DDR-Bürger wenden sich in aussichtslosen Lagen verstärkt an die StäV; Bundesbürger, die auf die Übersiedlung von Verwandten hoffen, richten ihre Bitten an das Bundeskanzleramt. Die DDR geht ihrerseits dazu über, Besucher der StäV besonders unter Druck zu setzen. Wessen Antrag einmal abgelehnt wurde, dem stünde kein weiterer Antrag zu, ist nur eines von vielen Gerüchten, die jetzt umgehen. Es wird auch gewarnt, dass ein Antrag z.B. auf Familienzusammenführung als staatsfeindliches Verhalten gewertet werde. Die Antragsteller müssen sich mit massiven Schikanen für ihr Privatleben auseinandersetzen, von der erschwerten Wohnungssuche bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.


Überlieferung

In den Beständen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) befindet sich die Überlieferung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Sie enthält neben vielen weiteren Dokumenten auch das Protokoll der Politbüro-Sitzung, in der die Ausbürgerung als TOP 4 aufgelistet ist. Die Akten des Bundeskanzleramts und der Ständigen Vertretung geben Aufschluss über die Sicht- und Handlungsweise auf bundesdeutscher Seite. Erkennbar wird darin der Handlungsrahmen der Bundesregierung, die bestrebt war, menschliche Erleichterungen zu erreichen, ohne den Dialog mit der DDR abbrechen zu lassen.